Turning-Point meines Lebens: Wie ich 2013 mit 180 km/h in den Burnout rutschte und dies mein Leben veränderte

Im Rahmen der Boom Boom Blog Challenge von Judith habe ich über den Weg zu meinem heutigen Ich geschrieben. Eine Station davon, welche enormen Einfluss auf mein heutiges Leben hatte, war 2013, als ich mit 180 km/h in den Burnout rutschte. Hierüber möchte ich dir nun mehr erzählen. Wie es dazu kam, wie ich wieder hinausfand und meine Learnings.

Der Startschuss zum nebenberuflichen Bachelorstudium der Wirtschaftspsychologie

2012 entschied ich mich dazu, ein Bachelorstudium im Bereich Wirtschaftspsychologie zu starten. Lange Zeit bin ich damit „schwanger gegangen“, habe hin und her überlegt, ob und was ich studieren sollte. Durch Zufall habe ich von dem damals neuem Studienzweig der Wirtschaftspsychologie erfahren. Da ich reine BWL wirklich einfach nur öde fand und ich mich auch schon seit ein paar Jahren mit psychologischen Themen beschäftigte, war ich gleich Feuer und Flamme. Frei nach dem Motto „Wer nichts wagt, der gewinnt auch nichts“ habe ich mich mutig zu dem Studiengang eingeschrieben und startete im Frühjahrssemester 2012 mit meinem nebenberuflichen Studium.

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch frohen Mutes. Klar wusste ich, dass es knackig wird, neben meinem 40 Stunden Vollzeitjob auf Management Ebene noch in 6 Semestern ein Studium zu absolvieren. Wie herausfordernd dies wurde, merkte ich kurze Zeit später. Die Theorie sieht dann doch meist anders aus, als die Praxis.

Vollzeit Fernstudium trifft auf anspruchsvollen 40 Stunden Job

Als ich mit meinem Studium begann, war ich als Resourcemanagerin im Servicebereich bei HPE tätig. Meine Verantwortung lag u.a. darin, unsere Projekte rechtzeitig mit den richtigen Personen zu besetzen. Idealerweise natürlich noch zu den für das Projekt kalkulierten Kosten. Zu dem Start meines Studiums wurde mir ein strategischer Kunde anvertraut, indem für diverse kleinere Projekte Personen gesucht wurden. Aufgrund der Priorisierung als strategischer Kunde war natürlich ein besonderes Augenmerk des Managements darauf.

Zusätzlich war der zuständige Vertriebsbeauftragte ein besonderer Charakter. Von der Fraktion „Schleck und Schleim“ beim Management und leicht cholerisch. Dementsprechend wurde regelmäßig enormer Druck bei mir aufgebaut. Das Ganze endete in teilweise psychischen Terror. Im Halbstunden-Takt wurde versucht, mich auf unterschiedlichen Kanälen (E-Mail, Telefon, Chat) zu erreichen. Da ich nicht erreichbar war, wurde sofort an mein Chef eskaliert. Stress pur.

Parallel dazu hatte ich pro Semester um die 1.000 Seiten Skripte zu lesen, zu verstehen und zu verinnerlichen. Es wurden zu 5 Modulen jeweils 2-3 Prüfungen abgelegt, die entweder aus Klausuren oder Hausarbeiten bestanden. Gerade am Anfang war die Lernkurve natürlich enorm, gar nicht einmal so, was den ganzen Stoff, aber was die Organisation des Ganzen anging. Da brachen so viele neue Themen auf mich ein, von Fremdwörtern, die ich in meinem Leben noch nie gehört habe bis zum wissenschaftlichen Arbeiten oder gar erstellen von Hausarbeiten.

Die erste Prüfungsphase stand bevor und meine Negativspirale fing sich an zu drehen

Ich merkte, wie ich mich super unter Druck setzte, ich wollte doch auch für mich erfolgreich dieses Studium absolvieren und gute Noten in den jeweiligen Modulen haben. Die erste Prüfungsphase brachte den negativen Stein ins Rollen. Auf einmal hatte ich urplötzlich eine unheimliche Prüfungsangst. Ich setzte mich dermaßen unter Druck, den Stoff bis aufs Letzte irgendwie in meinen Kopf reinzubekommen und konnte mich auf der Arbeit teilweise gar nicht mehr konzentrieren. Meine Gedanken kreisten nur noch um dieses Thema Prüfung und die Angst zu Versagen.

Natürlich schlichen sich auf der Arbeit Schusselfehler ein, wodurch ich mich noch mehr unter Druck setzte und in Konflikte mit dem genannten Vertriebler rutschte. In dieser Zeit gab es diverse Momenten, in denen ich morgens bereits weinend auf der Arbeit gefahren bin, dort angekommen nicht einmal mehr wusste, wie ich die Fahrt überhaupt überlebt habe. So quälte ich mich durch die Prüfungsphase und bestand die ersten Prüfungen, manche wirklich gut, manche nicht so gut. Bestanden war jedoch bestanden. Ich merkte jedoch, wie es mir von Woche zu Woche schlechter ging. Schlafstörungen kamen hinzu und generell Konzentrationsprobleme. Ich empfand kaum noch Freude und war wirklich sehr nah ans Wasser gebaut.

Wenn die Psyche nicht mehr kann

Eines Morgens stand ich völlig überfordert von meinem Kleiderschrank und eine Welt brach für mich zusammen, weil ich einfach nicht wusste, was ich anziehen soll. Ein gesunder Mensch kann sich in solche Momente nicht wirklich reinfühlen, für mich waren sie blanker Horror. Kurz darauf habe ich für mich die Reißleine gezogen. Da ich ja bereits ein paar Jahre vorher einen Tiefpunkt in meinem Leben hatte, war ich sozusagen schon „erfahrener“. Dennoch kostete es mich unheimliche Überwindung und Mut, zuzugeben, einfach nicht mehr zu können. Ich packte meinen ganzen Mut zusammen und rief meinen damaligen Vorgesetzten an und sprach meine Problematik offen aus.

Meine vorherigen „Worst-Case-Szenarien“ im Kopf waren völlig unbegründet und mir wurde sehr viel Empathie und Verständnis entgegengebracht. Ich bin noch in dieser besagten Woche zu einer Psychiaterin gegangen und habe mich krankschreiben lassen. Erst einmal nur für 4 Wochen, mit der Option auf Verlängerung. Ich habe ein leichtes Antidepressiva bekommen, um meine körperliche Dysbalance wieder herzustellen und eine Überweisung zur Therapie. Und so machte ich mich nun ans Werk, einen Therapieplatz für mich zu finden.

Das Leben weist einem den Weg

Bereits 2013 waren Therapieplätze rar und ich durfte erfahren, dass ich auf vielen Wartelisten sitzen durfte. Tja und wie das Leben manchmal so spielt, bin ich zufällig einer ehemaligen Arbeitskollegin über den Weg gelaufen. Ich wusste, dass sie bereits eine Ausbildung zur Psychotherapie auf Heilpraktikerpraxis absolviert hat und gerade dabei war eine Weiterbildung zur Gestalttherapeutin zu machen. Zu dem Zeitpunkt war sie auf der Suche nach Test-Klienten für ihre Praxisstunden.

Ich nahm ihr Angebot an und überbrückte meine Wartezeit in therapeutischer Behandlung bei meiner ehemaligen Arbeitskollegin. Kurze Zeit später hatte ich tatsächlich einen Therapieplatz zu einer Verhaltenstherapie und begann diese.

Stück für Stück wieder auf den Weg nach oben

In den folgenden Wochen und Monaten lernte ich nicht nur auf mein Stresspegel zu achten und für die mögliche Entspannung zu sorgen, sondern ich baute mein Leben um. Ich wechselte ein Semester in ein Teilzeitstudium um und reduzierte zusätzlich meine Arbeitszeit auf eine 4-Tage-Woche.

Somit hatte ich genügend Zeit in Ruhe den zu lernenden Stoff mir so zu planen, dass es zwar auch herausfordernd, jedoch machbar war. Zusätzlich fing ich an mich regelmäßig zu bewegen, zuerst mit walken, später fing ich dann an mit joggen.

Ich probierte vieles aus und letztendlich war für mich der beste Weg, morgens früher aufzustehen und mich mit meinem Kaffee gemütlich auf die Couch oder in die Küche zu setzen und mich mit den unterschiedlichen Lernthemen auseinander zu setzen. Ich suchte mir Unterstützung, sei es zum Lernen, zum Austausch und zum Leid plagen.

Zusätzlich befasste ich mich erstmals richtig mit meiner Zukunft und diese gab mir den Antrieb durchzuhalten. Somit schloss ich nach gut 3,5 Jahren mein Studium der Wirtschaftspsychologie erfolgreich mit dem Bachelor of Arts ab. Ich war nicht nur einiges an Erfahrungen reicher, sondern dies war der Startpunkt der Reise zu mir Selbst.

Was ich aus dieser Zeit gelernt habe

Rückblickend handelte es sich um eine krasse Zeit, mit einem unheimlich persönlichen Wandel. Ich habe in dieser Zeit soviel über mich, meine Werte und Grenzen gelernt. Die größten Learnings für mich waren jedoch:

  • Es ist keine Schwäche offen zu zeigen, dass es einem psychisch nicht gut geht. Im Gegenteil, es zeigt einen starken Charakter und sehr viel Mut.
  • Wenn du erst einmal offen von deinen persönlichen Ängsten sprichst, öffnen sich auf einmal Personen dir gegenüber und du merkst, dass viele diese Situationen kennen.
  • Lieber rechtzeitig die Reißleine ziehen, als völlig auf die Schnauze zu fliegen. Dies setzt jedoch auch voraus, dass du den Zeitpunkt mitbekommst. Falls nicht, höre auf deine engsten Vertrauten.
  • Es ist keine Schande einen Gang zurückzuschalten und dennoch an sein Ziel zu kommen, halt nur langsamer.

Wenn du auch merkst, dass nichts mehr geht, dann wende dich an deinen Hausarzt und lass dich krankschreiben und dich über einen Weg raus aus dem Tief beraten. Glaub mir, es ist keine Schande und es ist unheimlich mutig sich Hilfe zu suchen, um wieder zu seinen Kräften zu kommen.

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Ich bin Jenny, seit 2020 Mama eines
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