Wie ihr euren Kindern trotz Trennung ein liebevolles Zuhause schenken könnt, erfährst du in diesem Gastartikel von Rechtsanwalt Niklas Clamann.
Wenn sich ein Elternpaar trennt, ist das nie schön. Leider ist diese Zeit oftmals mit Konflikten zwischen den Elternteilen übersät, zu Lasten der Kinder. Doch das muss nicht sein. Als Rechtsanwalt möchte ich dir zeigen, wie es auch anders gehen kann. Tauche ein in die Welt des Umgangsrechts und erfahre, wie ihr gemeinsam als Eltern Wege findet, um eure Kinder auch in schwierigen Zeiten zu unterstützen und zu beschützen.
Umgangsrecht – Was ist das eigentlich?
Das Umgangsrecht ist ein zentraler Aspekt im Familienrecht, der die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern nach einer Trennung oder Scheidung regelt. Es beschreibt das Recht, als Elternteil sein Kind regelmäßig zu sehen und Zeit mit ihm zu verbrinden. Diese Zeit ist entscheidend, um sicherzustellen, dass das Kind auch nach der Trennung eine enge Verbindung zu beiden Elternteilen aufrechterhalten kann.
Im Vordergrund des Umgangsrechts steht immer das Wohl des Kindes. Das bedeutet, dass die Interessen und Bedürfnisse eures Kindes grundsätzlich Vorrang vor euren eigenen haben. Gleichzeitig müsst ihr in der Lage sein, eure elterlichen Pflichten wahrzunehmen. Um diesen Ausgleich zu erzielen, haben sich verschiedene Modelle etabliert.
Das Residenzmodell
Im Residenzmodell hat das Kind seinen Hauptwohnsitz bei einem Elternteil. Der andere Elternteil hat ein Besuchsrecht für bestimmte Zeiträume, beispielsweise jedes zweite Wochenende und an den Feiertagen. In Deutschland ist das Residenzmodell mit Hauptwohnsitz bei der Mutter der „Normalfall“: Im Jahr 2022 lebten laut statista ca. 2,3 Mio. Mütter und 500.000 Väter ohne Partner:in mit ihrem Kind in einem Haushalt zusammen.
Vorteile: Das Residenzmodell bietet dem Kind Stabilität und Kontinuität im Alltag. Es hat einen festen Wohnsitz und kann sich an Routinen wie einen gleichbleibenden Morgenablauf und einen festen Schulweg gewöhnen. Außerdem haben Kinder im Residenzmodell meist eine besonders enge Bindung zum hauptbetreuenden Elternteil und fühlen sich daher in ihrem Lebensumfeld besonders sicher. Das Residenzmodell eignet sich daher besonders für Kinder, die eine stabile Umgebung benötigen, um sich optimal entwickeln zu können.
Nachteile: Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich das Kind weniger eng an den seltener betreuenden Elternteil bindet. Dadurch kann es zu einer Schwächung der Beziehung bis hin zu einer Entfremdung kommen. Außerdem besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Verantwortung und im Alltag zwischen den Elternteilen. Sie kann ebenfalls zu einer schlechteren Elter-Kind-Bindung, aber auch zu einer Überforderung des hauptbetreuenden Elternteils führen.
Umsetzung: Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken, ist es besonders wichtig, die Beziehung zum nicht-hauptbetreuenden Elternteil zu fördern und zu unterstützen. Regelmäßige und längere Zeiten gemeinsam zu verbringen, die auch Übernachtungen beinhalten, stärkt die Bindung. Hier ist es hilfreich, wenn sich das Kind nicht als Last oder als Besucher sieht, sondern die gemeinsame Zeit als Normalität begreift. Ein eigener Bereich in der Wohnung, altersgerechtes Spielzeug und Flexibilität bei der Planung durch die Eltern können das unterstützen. Auch die Eltern untereinander sollten sich bemühen, einander trotz unterschiedlicher Betreuungszeiten als gleichberechtigte Elternteile anzuerkennen. Das gibt das Kind das Gefühl, nach wie vor zwei Elternteile zu haben, die es lieben und unterstützen.
Das Wechselmodell
Das Wechselmodell, auch bekannt als Pendelmodell, ist eine Form des Umgangsrechts, bei dem das Kind abwechselnd zu (annähernd) gleichen Teilen bei beiden Elternteilen lebt. Die Eltern teilen sich hier die Verantwortung für die Betreuung und Erziehung des Kindes etwa hälftig auf. Üblicherweise verbringen Kinder 1-2 Wochen bei dem einen und die anschließenden 1-2 Wochen bei dem anderen Elternteil.
Vorteile: Das Wechselmodell zielt darauf ab, dem Kind eine enge und gleichmäßige Bindung zu beiden Elternteilen zu ermöglichen. Durch den regelmäßigen Wechsel zwischen den beiden Haushalten kann es Zeit mit beiden Elternteilen verbringen, den Alltag erleben und die Beziehungen pflegen. Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie der Universität Duisburg-Essen, der zufolge Kinder im Wechselmodell mindestens genauso glücklich, teilweise sogar etwas glücklicher als im Residenzmodell sind.
Nachteile: Dieses Wohlbefinden hängt allerdings maßgeblich vom Verhalten der Eltern ab. Das Wechselmodell erfordert eine sorgfältige Organisation und Planung, damit das Kind regelmäßig zwischen beiden Haushalten wechseln kann und der Übergang mitsamt Schule, Freunden und Hobbys reibungslos verläuft. Dies kann zusätzlichen Stress und Aufwand für die Eltern bedeuten. Außerdem eignet sich das Wechselmodell ab dem schulfähigen Alter nur für Eltern, die in geografischer Nähe zueinander wohnen, da das Kind nur eine Schule besuchen kann.
Umsetzung: Wichtig ist daher, dass die Eltern dem Kind nicht das Gefühl vermitteln, zwischen ihnen hin- und hergerissen zu sein. Hier helfen feste Routinen und Zeitpläne, die in beiden Haushalten verfolgt werden. Durch klare und vorhersehbare Abläufe fällt dem Kind der Übergang zwischen dem einen und dem anderen Zuhause nicht so schwer. Außerdem erfordert das Wechselmodell eine hohe Kompromiss- und Kooperationsbereitschaft zwischen den gleichberechtigten Elternteilen. Dies kann bedeuten, die eigenen Zeitpläne anzupassen oder etwa bei der Entscheidung zwischen Musikunterricht und Sportkurs die Meinung aller Beteiligten (vor allem des Kindes) zu integrieren. Die Kommunikation zwischen den Elternteilen ist essentiell für ein gelungenes Wechselmodell.
Der Weg zu einer stressfreien Einigung
Die Entscheidung über das Umgangsrecht kann für euch als Eltern eine Herausforderung darstellen. Dies gilt umso mehr, wenn ihr unterschiedliche Vorstellungen habt oder euch im Streit getrennt habt. Dennoch gibt es Möglichkeiten, wie ihr euch stressfrei einigen könnt:
Mediation
Die Inanspruchnahme eine:r neutralen Mediator:in kann Eltern dabei helfen, eine Einigung zu erzielen, die sowohl ihren eigenen Ressourcen als auch den Bedürfnissen ihres Kindes gerecht wird. Ein:e Mediator:in unterstützt euch dabei, speziell für euren Konfliktpunkt eine Lösung zu finden. Dabei werdet ihr angeleitet, einander zuzuhören und eure Standpunkte abzuwägen.
Kommunikationstrainings
Besonders nach einer frischen Trennung scheitern Einigungsversuche oft an der mangelnden Kommunikation zwischen Eltern. Ein Kommunikationstraining kann helfen, effektive Kommunikations- und Konfliktbewältigungsstrategien zu erlernen. So vermeidet Eltern Konflikte, erlernen Kommunikationsstrategien und können ein kooperatives Verhältnis zueinander aufrechterhalten.
Beratung durch Fachkräfte
Fachkräfte wie Psycholog:innen, Familientherapeut:innen oder Mitarbeiter:innen des Jugendamtes können Eltern helfen, die gegenseitigen Bedürfnisse und die Bedürfnisse ihres Kindes besser zu verstehen. Hier werden in der Regel die Beziehungen ganzheitlich, also nicht nur konfliktbezogen, aufgearbeitet. So sind die Eltern in der Lage, ihr Verhältnis zu bessern und eine Lösung zu entwickeln, die allen gerecht wird.
Verhaltensempfehlungen für Eltern
Unabhängig davon, für welches Umgangsmodell ihr euch entscheidet, ist es wichtig, dass ihr bestimmte Verhaltensregeln berücksichtigt, um eure Kinder bestmöglich zu schonen.
Respektvolle Kommunikation
Das wichtigste ist, dass ihr respektvoll kommuniziert, insbesondere vor eurem Kind. Ihr solltet es auf jeden Fall vermeiden, negative oder verletzende Bemerkungen über den anderen Elternteil zu machen. Andernfalls könnt ihr euer Kind in Loyalitätskonflikte bringen und es damit belasten. Zielführender und entspannter ist es, wenn eure Kommunikation klar und konstruktiv ist. Ihr müsst nicht in in Erinnerungen an gemeinsame Zeiten schwelgen oder Zuneigung zeigen, wo keine ist. Wichtig ist nur, dass ihr versucht, gemeinsame Lösungen zu finden, die im Interesse eures Kindes liegen. So könnt ihr eurem Kind vorleben, wie man respektvoll miteinander umgeht, selbst wenn man unterschiedlicher Meinung ist.
Flexibilität und Kompromissbereitschaft
Lebensumstände wandeln sich, euer Kind wird älter – es ist wichtig, dass ihr für Veränderungen offen seid, wenn sich die Bedürfnisse des Kindes ändern. Es ist empfehlenswert, auf solche Veränderungen zu achten und sie offen anzusprechen. Dann könnt ihr gemeinsam als Familie nach Lösungen suchen, die für alle Beteiligten passend sind. Auf dem eigenen Standpunkt zu beharren, bringt euch nicht weiter.
Das Kindeswohl als Priorität
Bei allen Entscheidungen solltet ihr immer im besten Interesse eures Kindes handeln, auch wenn das bedeutet, persönliche Opfer zu bringen oder Zugeständnisse an den oder die Ex-Partner:in zu machen. Je nach Alter des Kindes könnt ihr es aktiv in die Entscheidungen einbinden und ihm die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden. So bietet ihr eurem Kind eine stabile und unterstützende Umgebung, in der es sich geborgen fühlen und seine Wünsche und Ängste ehrlich ansprechen kann.
Selbstpflege
Eine Trennung bedeutet Stress und Emotionen. Achte darauf, dass du selbst physisch und emotional psychisch gesund bleibst – um deinem Kind die beste Mom zu bieten, die du sein kannst. Bei Bedarf kannst du dir Unterstützung von Freunden, der Familie oder Fachleuten suchen, die dich und dein Kind sicher gern unterstützen. Damit zeigst du auch deinem Kind, dass es in Ordnung ist, Schwäche einzugestehen, Hilfe zuzulassen und sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Du bist ihm ein Vorbild in Selbstfürsorge und Selbstreflektion.
Fazit
Gut ausgestaltet ist das Umgangsrecht mehr als ein rechtlicher Begriff. Ein gutes Umgangsmodell kann ein Versprechen an dein Kind sein, dass es auch nach einer Trennung von euch als Eltern geliebt, unterstützt und geschützt wird. Wenn ihr die Bedürfnisse eures Kindes respektiert und eure Bindung stärkt, schafft ihr trotz Trennung eine Umgebung, in der euer Kind zu einem wundervollen Menschen wachsen kann.
Rechtsanwalt Niklas Clamann ist Anwalt für Familienrecht und dabei spezialisiert auf die einvernehmliche Scheidung. Er betreibt seine Kanzlei in Münster (Westfalen). Hier und online unterstützt er seine Mandant:innen in allen Bereichen der Scheidung: so etwa beim Ausfüllen des Scheidungsantrags, dem Aufsetzen einer Scheidungsfolgenvereinbarung, der Minimierung der Scheidungskosten oder durch Beratung zu Umgangsmodellen.